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Editorial
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Die budgetäre Lage der österreichischen Bundesmuseen durch
ihre Privatisierung macht zunehmend eine Ausstellungspolitik erforderlich,
die verstärkt Markletingstrategien einsetzt, um so das entsprechende
Massenpublikum zu interessieren. Das Kunsthistorische Museum in Wien
gilt als eines der erfolgreichsten Modelle für die so genannte
Ausgliederung.
Der Werbeslogan zur Ausstellung: "Erstmals in Europa" scheint
auf ein schlechtes Gedächtnis der Öffentlichkeit zu bauen,
denn insgesamt 20 Objekte der Schau wurden bereits 1963 in einer Ausstellung
des Museums für Angewandte Kunst mit dem Titel "Kunstschätze
aus dem Iran" gezeigt.1
Die Ausstellung wurde am 22. November 2000 im Kunsthistorischen Museum
in Wien eröffnet.
Der Steinigungsminister präsentiert Steine
und Edelsteine aus siebentausend Jahren!
Mohajerani, der derzeitige iranische Minister für Kultur und Islamische
Führung, ist eine jener geschmeidigen Amphibienexistenzen, die
beinhart die Steinigung befürworten und sich gleichzeitig ganz
offenherzig für eine im Parlament bereits zur Abstimmung aufliegende
liberalere Variante des Pressegesetzes einsetzt - die dann durch ein
Dekret Khameneis2 allerdings wieder abgewürgt wurde.
Die Liberalität des Kulturministers ist für den Export bestimmt.
Zur Propaganda für die Herrschaft der Mullahs nimmt man derzeit
nicht den etwas schrillen und störrischen Khamenei, der als Aushängeschild
für den Anhängsel-Staat des Imperialismus und der Konzerne
nicht geeignet ist; dem glatten Weltkapitalismus sind die Amphibienexistenzen
a la Mohajerani nützlicher.
Seine liberalen Gesten werden in der liberalen Weltpresse schnell verbreitet.
Mohajerani hat am 8. April 1998 in einem Interview mit der Tageszeitung
Farda folgendes geäußert: "Was
die Art und Weise der Durchführung von Steinigungen betrifft, so
gibt es zwei Theorien. Die einen halten es für angemessen, daß
das Urteil in einem internen und geschlossenen Kreis vollstreckt wird,
die anderen bestehen darauf daß die Steinigung öffentlich
durchgeführt wird. Nun, wir müssen uns genau überlegen,
ob es uns mehr Vor- oder Nachteile bringt, wenn eine solche Vollziehung
eines Urteils in der Öffentlichkeit durchgeführt wird, von
Journalisten gefilmt und im Ausland gezeigt wird." Und in
einem Interview mit der Zeitung Resalat vom 7. 4. 1998 variiert er diese
Nützlichkeitserwägung: "Wir müssen
wissen, daß wir heutzutage in einer offenen Kommunikationsgesellschaft
leben und wir sind daran interessiert, diesen neuen Faktor einzubeziehen.
Man muß sich fragen, ob es für uns von Vorteil ist, wenn
da ein Film über eine Steinigung im ausländischen Fernsehen
gezeigt wird. Andernfalls könnte die Vollstreckung des Urteils
ja auf einen kleinen frommen Kreis beschränkt werden, der der Steinigung
beiwohnt. So können wir uns vor schädlicher internationaler
Propaganda schützen."
Steinigungen werden nicht im geringsten in Frage gestellt, ja
sie werden durch die Empfehlung sich diplomatisch zu verhalten, zusätzlich
abgesichert. Gleichlautendes hat Mohajerani auch auf einer Pressekonferenz
in Teheran, die Anfang April 1998 stattfand, von sich gegeben. Und ein
solcher Systemgarant des staatlichen Killertums eröffnet in Wien
eine Ausstellung, mit der nicht bloß 20 Jahre, sondern 7000 Jahre
gefeiert werden - als bezöge das Regime seine Legitimation von
so weither.
Da können wir in Österreich nicht mithalten. Das Ganze nennt
sich "Dialog der Kulturen" und wird von Khatami3 bei einem
jeden seiner leider sehr zahlreichen Auslandsaufenthalte mit einer Beharrlichkeit
propagiert, als ging es um die verzweifelte Wiedererweckung eines Toten.
Prompt beeilt sich (unser Bundespräsident; Anm. dwB) Klestil, dem
iranischen Präsidenten am Rande des von der UNO organisierten Treffens
der Interparlamentarischen Union in New York, das Anfang September stattfand,
zu versichern, daß er dessen Konzept des Dialogs der Kulturen
unterstütze.
Klestil, der sich in Teheran gut auskennt, weiß auch, warum er
das tut. Denn dieser Dialog der Kulturen heißt, anders gewendet,
daß es eben keinen Dialog über Menschenrechte geben soll
- und den gibt es auch nicht -, weder über die in Österreich,
noch über die in Iran. Das ist die Essenz der ideologischen Formel.
Tunlichst sollten bloß alte Geschmeide und Teppiche von einem
Land ins andere verschoben werden, damit die beiden uralten Kulturen
einander tiefernst ins Auge blicken mögen. Das kann dem reziproken
Friedshofsschweigen nur behilflich sein.
Seit einigen Jahren kommt mit Hilfe des Führungsministeriums eine
neue, raffiniertere Form von Ideologie, nicht nur im Land, sondern auch
international zum Einsatz: nämlich die zeitlose Schönheit
der vorkapitalistischen Rückzugsgebiete des Iran, die besonders
in den staatlich approbierten und weltweit vertriebenen, unpolitischen
Filmen eines neuen Ästhetizismus zur Geltung kommt, der für
das Marionetten - Regime zu werben hat. Alles was geheimnisvoll, „orientalisch“,
auch bizarr, wohl auch ein wenig verarmt und – Hauptsache ! –
bunt daherkommt, wird vertrieben.
Es gibt eineinhalb Stunden lang dauernde Filme, in denen keine einzige
explizite politische Äußerung getätigt wird - und die
noch dazu in den kurdischen Gebieten spielen...
Und wozu der ganze Zauber?
Am 10. September war der iranische Industrieminister Shafeie in Wien
und nahm an der 5.Tagung der Gemischten Österreichisch-Iranischen
Wirtschaftskommission teil. Das Resultat zeigte sich einige Tage später:
am 14. 9. kam es zum Abschluß von Verträgen in Höhe
von 500 Millionen $. Das größte Projekt darunter (200 Millionen
$) ist die Errichtung eines Wasserkraftwerks, das von österreichischen
Firmen in Zusammenarbeit mit der iranischen Farrab gebaut wird.
Zwischen der Siemens AG Österreich und Iranian lslamic Republic
Railways wurde ein Vertrag über die Lieferung von 20 Stück
4-teiligen dieselhydraulischen Triebwagengarnituren mit einem Auftragswert
von 1, 37 Milliarden S unterzeichnet. Zwischen der Firma Wagon Pars
und Siemens Verkehrstechnik bestehen traditionell gute Verbindungen.
Diese Triebzüge sollen ab 2003 vorwiegend auf der Strecke Teheran-Mashad,
einer der Hauptverkehrsadern des Iran, eingesetzt werden. Im Rahmen
eines in den letzten Jahren geplanten Know-How-Transfers werden die
ersten fünf Garnituren komplett bei Siemens gefertigt.
Auch im Bereich der Daten (darin ist Österreich ja besonders erfahren)
wurde eine Kooperation beschlossen: das österreichische Unterrichtsministerium
wird die Technologieabteilung der Iranischen Präsidentschaftskanzlei
bei der Entwicklung von Software unterstützen, mit der der wissenschaftliche
Datenaustausch zwischen den beiden Ländern abgewickelt werden soll.
Wieweit der Begriff Wissenschaft hier gefaßt wird, ist aus der
knappen IRNA-Meldung nicht zu entnehmen. Hoffen wir bloß, daß
es nicht auch personenbezogene Daten sind, etwa solche, die den rechtlichen
Bereich von Oppositionellen und Flüchtlingen betreffen. Da gibt
es weder in den respektiven Ländern ein hinreichendes politischen
Vertrauen, geschweige denn ein gegenseitiges.
Im vergangenen Jahr belief sich das österreichisch-iranische Handesvolumen
auf 360 Millionen $. Die Exporte Österreichs dominieren aber extrem:
sie machen 90% des bilateralen Handels aus, wohingegen die 10 % Iran-Exporte
nach Österreich kümmerlich sind. Im vergangenen Jahr stiegen
die österreichischen Exporte in den Iran um 5,4 % auf 2,9 Milliarden
S. Der Schwerpunkt liegt bei Maschinen und Fahrzeugen. Damit ist der
Iran das wichtigste Absatzgebiet Österreichs im Nahen und Mittleren
Osten, gefolgt von Saudi-Arabien (2 Milliarden S), den Vereinigten Arabischen
Emiraten und Ägypten (jeweils 1,8 Milliarden S) und Israel (1,7
Milliarden S).
Der Iran will seine Ausfuhren verständlicherweise steigern und
auch diversifizieren, und Klestils Besuch in Teheran hatte in gewissem
Ausmaß eine bahnbrechende Funktion, denn er war der erste EU-Präsident,
der in dem theokratischen Mißgebilde auf Staatsbesuch war. Von
der EU, deren machiavellistisches und reaktionäres Kernland Österreich
so weit vorprescht, erwartet der Iran in Bälde ein Handels- und
Zollabkommen. Österreich werde im Iran als wirtschaftliches "Tor"
für eine EU-Annäherung betrachtet, formulierte die APA am
12. 9.
Etwa 160 österreichische Firmen operieren bereits auf dem iranischen
Markt, 19 haben eine eigene Repräsentanz.
Ein paar Tage darauf (nach Abschluss der gemischten Wirtschaftsrunde
in Wien am 10. September 2000; Anm. dwB) ist (der österreichische
Nationalratspräsident;Anm. dwB) Fischer in Teheran. Wien und Teheran
könnten nun die Kooperation auf zahlreichen Gebieten vertiefen
und erweitern, meint Khatami gegenüber Fischer, insbesondere auf
wirtschaftlichem Gebiet. Man merke wohl: Khatami sagte "insbesondere".
Wenn Khomeini meinte "Die Wirtschaft überlassen wir den Eseln",
so ist Khatami schon weiter, er überläßt sie den Österreichern.
Khatami drückte Fischer gegenüber auch seine Genugtuung über
die Rücknahme der Sanktionen aus. Dabei begeht der Herr Fischer
von der SPÖ einige Geschmacklosigkeiten, die hart an der Grenze
der politischen Fahrlässigkeit liegen. Er trifft sich mit Alireza
Mahjoub, dem Generalsekretär des "Hauses der Arbeiter",
der Institution also, die die abgeschafften und verbotenen Arbeiterräte
ersetzen soll. Ein klarer Demokratie- und gewerkschaftsfeindlicher Akt
des Sozialdemokraten - in einem Land mit Gewerkschaftsverbot!
In der iranischen Presse werden auch allerlei Treffen Fischers mit weiblichen
Abgeordneten zelebriert: Fatameh Khatami aus Mashad rühmt ihm gegenüber,
daß die Alphabetisierungsrate auf 98% gestiegen sei, Das steht
auch ganz eindeutig in Widerspruch zu offiziellen Zahlen. Die IRNA berichtet
am 15. November, ein Vertreter der staatlichen Organisation für
Wohlfahrt habe berichtet, es gebe im Iran 10 Millionen Vollanalphabeten.
Einer Zwischenstufe zwischen Voll- und Teilanalphabeten seien dreißig
Millionen Menschen zuzuordnen, also die Hälfte der Bevölkerung.
Eine andere Abgeordnete, Elaheh Koolaeh aus Teheran rühmt ihm gegenüber,
daß es bereits 11 weibliche Abgeordnete in der Majlis (dem Parlament)
gebe. Das Teheraner Parlament zählt 270 Abgeordnete!
Das erinnert ein wenig an Klestil, der sich von der Freiheit der iranischen
Frauen überzeugen ließ. Er hat damals in Teheran seinen Gastgebern
versprochen, Maßnahmen gegen "antiiranische" Berichterstattung
zu ergreifen. Da hat er nicht viel zu tun, denn die gibt es hierzulande
nicht. Aber das ist ganz logisch. Denn schon geringe Zweifel am Zustand
der iranischen Gesellschaft und Regierungsform würde die Bereicherung
der Profiteure, die aus dem einseitigen Handel ihren Nutzen ziehen,
beeinträchtigen, und daher hat eine reelle und konkrete Berichterstattung
über den Iran in den österreichischen Medien zu unterbleiben,
geschweige denn ein Engagement der Politiker in Menschenrechtsangelegenheiten.
Finanziell wird die Ausstellung von der Presse, die einige wirtschaftliche
Interessen zu vertreten hat, vom ORF, der die Verantwortung für
das staatliche Schweigen über den Iran trägt, von den Austrian
Airlines, die zwei mal wöchentliche Direktflüge nach Teheran
anbieten und vom Österreichischen Verkehrsbüro unterstützt.Dieser
Text ist ein Auszug aus einem Flugblatt gleichen Titels des Rates zur
Verteidigung der Völker im Iran, den die weisse Blatt mit freundlicher
Genehmigung veröffentlicht.
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