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Lydia Lunch, Szene
Wien, 26. November 2000 Lydia Lunch erzählt Geschichten von Abhängigkeiten: Drogen, obsessiver Sex und (selbst)zerstörerische Emotionen bestimmen die Welt ihrer ProtagonistInnen. Die Grenzen zwischen Erlebnisbericht oder Aufzeichnung und Konstruktion von Realität fließen: Alles eine Frage der (Selbst)Darstellung. "Paradoxia. A Predator's Diary", das vor Kurzem auch auf deutsch erschienen ist, präsentiert sich als autobiografischer Text. Allerdings findet sich in dem Buch kaum ein Hinweis auf Lydia Lunchs umfangreiche Produktion, etwa als Performerin, Autorin, Musikerin und Filmemacherin, vielmehr berichtet die Ich-Erzählerin von ihren sexuellen Erlebnissen mit wechselnden, meist männlichen Partnern. Sex ist hier niemals sauber, kein Körperkult, keine athletische Leistung. Gar keine Leistung, sondern eher das Gegenteil: Köperlicher Verschleiss bis zur Erschöpfung, die dann jegliche Form der Leistung - etwa im Sinn von Arbeit - unmöglich macht. Sex ist "a temporary fix for an unscratchable itch" (Lydia Lunch). Beinhaltet Flucht auch immer eine Kritik an den Verhältnissen, aus denen eine zu entkommen versucht? In Wien las Lydia Lunch aus einem unveröffentlichten Text. Kein autobiografischer Text, dennoch soviel Emphase im Vortrag, dass die Leserin zur Darstellerin wird und mit der zentralen Frauengestalt zur Deckung kommt. Sogar als sie in einer Lesepause zum Wasserglas greift seufzt sie den Namen des sie ständig verletzenden Liebhabers: "Oh Johnny, ...". Zu Ende des Stücks fällt sie abrupt aus der Rolle, und auch das Publikum findet wieder zu sich: "Thank you Vienna, and good luck with your lifes." |
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