Fast ein Jahr lang hat sich die neu gebildete Redaktionsgruppe regelmäßig
getroffen. Zunächst ging es um sehr grundsätzliche Fragen zur
gemeinsamen Text-, Bild- und Zeitschriftenproduktion. Die Diskussionen
und umherschweifenden Gespräche haben uns allen etwas/sehr/viel Spass
und Erkenntnisgewinn gebracht. Verschiedenen Dingen wollten wir uns nicht
aussetzen, einem periodischen erscheinenden Zeitdruck zum Beispiel, aber
jetzt finden wir, dass die erste Nummer fertig sein soll. Wir träumen
aber durchaus auch vom schnellen und mühelosen Produzieren, die entsprechenden
Arbeitsweisen zu entwickeln ist einer unserer Pläne. Beim Schreiben
glauben wir nicht, objektiv zu sein, wir sind keine Reporterinnen und
haben nichts zu berichten.
Eines unserer Interessen ist es, Begriffe die allgemein verwendet werden,
genauer zu betrachten. „Der korrekte Gebrauch von Worten ist nicht
nur eine Frage der Grammatik, sondern der geschichtlichen Perspektive.
Worte synonym zu gebrauchen, zeigt nicht nur, dass man das, was die Sprache
eigentlich sagt, nicht mehr hören kann, was schlimm genug wäre;
der Unfähigkeit, Unterschiede zu hören, entspricht die Unfähigkeit,
die Wirklichkeiten zu sehen und zu erfassen, auf die die Worte ursprünglich
hinweisen“ (Hannah Arendt).
Bezugnehmend auf die Situation in Österreich, stellten wir fest:
der Begriff „faschistoid“ oder „rechtsextrem“ ist
im allgemeinen Sprachgebrauch dem Begriff „faschistisch“ unbedingt
vorzuziehen, da sonst auf der einen Seite die Greuel der Nationalsozialisten
verharmlost werden und auf der anderen Seite die Vergrößerung
einer „problematischen Sachlage“ deren Lösung nicht gerade
vereinfacht.
Im gleichen Sinn ist auch das Wort Widerstand nicht glücklich gewählt,
ist es doch eher ein Widerstreben gegen, ein Widerstreben, sich mit dieser
demokratisch gewählten Regierung abzufinden und die „Bewegung“
demonstriert dies mit den ihr zur Verfügung stehenden, demokratischen
Mitteln.
Der Punkt, der sich jedoch durch die Regierungsbeteiligung der FPÖ
mit völliger Deutlichkeit gezeigt hat, wird nicht angetastet: die
Schwäche eines Systems namens parlamentarischer Demokratie. Man/frau
sollte oder müsste eben immer noch dazu anmerken, dass „Demokratie“
innerhalb sehr enger Grenzen definiert wird - seine Stimme „abzugeben“
und tatsächlich mitzuentscheiden sind eigentlich Sachen, die sich
qua zeitgenössischem demokratischen Verständnis ausschliessen.
Dazu gesagt werden muss wohl auch, dass die Demokratie eine ganz bestimmte
Herrschaftsfunktion zu erfüllen hat und gleichzeitig die ökonomische
Organisation der Weltgesellschaft nicht erwähnen darf. So bleiben
demokratische WählerInnen potenziell auch immer Beherrschte, Untertanen
und Unmündige, was aber die Verantwortung aller an der Herstellung
der gesellschaftlichen Bedingungen (wie sie sind oder aber wie sie sein
könnten) nicht mindert. Die kapitalistische Grundverfasstheit unserer
gegenwärtigen Welt ist stillschweigend allem gesellschaftlichen Handeln
vorausgesetzt.
Ökonomie und Wirtschaft sind nur mehr als kapitalistische vorstellbar
— das Ausbeutungsverhältnis ist omnipräsent und damit unsichtbar
geworden. Erst wenn es kurzfristig in die Un-übersehbarkeit tritt,
wird es zum Skandal (siehe Seite 4: very smart production). Ein Schwerpunkt
des Heftes ist auch aus diesen Gründen der Ökonomie gewidmet.
Zusammenhänge sollen sichtbar werden, die zeigen, wie die Produktion
von Waren und Ideologie einander bedürfen, um IM gesellschaftlichen
Ganzen DAS gesellschaftliche Ganze — den Staat — die reibungslose
Kontinuität der Summe der Herrschaftsverhältnisse — aufrechtzuerhalten.
Solange gesellschaftliche Perspektiven, die über diese Demokratie
emanzipatorisch hinausweisen, nicht angestrebt werden und weiterhin diese
Art von Demokratie anerkannt wird, müßte zugleich das Ergebnis
dieser demokratisch durchgeführten Wahl bejaht werden.
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