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Beim Lesen des Buches Ready Mix –
vom richtigen Gebrauch der Erinnerung und des Vergessens von Antonio
Negri (b-books Verlag, 1999) hab ich mich sehr amüsiert. Oft kann ich
aus Zeitmangel Texte, die nicht unmittelbar mit meinem jeweiligen Arbeitsprojekt
zu tun haben, nicht lesen. Da es ein sehr kleines Buch ist, ließ ich
mich aber verführen. Dadurch konnte ich feststellen, dass es doch viel
mit meiner Haltung und meiner sich ständig neu zu definierenden Tätigkeit
als Künstlerin und politischem Subjekt zu tun hat. Anfangs machte ich mir Notizen, da ich merkte, dass es mir nicht möglich sei, Negris Gedanken spontan zu erfassen. Später schien mir das aber nicht notwendig. Seine Gedanken k r e i s e n vor allem um ein Thema, ohne es vollständig definieren zu wollen, so dass die Vorstellung, sich in einem geschlossenen Denksystem zu befinden, aufgegeben wird, womit aber auch die Aufgabe des Vertrauens in eine Autorität (die des Denkers, der Denkerin, der Worte etc.) verbunden ist. Finde ich gut. „Wir sprechen im Inneren einer Sphäre. Deren sämtliche Begriffe umzukehren sind, damit sie direkte Begriffe werden. Es wäre wirklich notwendig, eine andere Sprache zu finden, selbst wenn man von Demokratie oder Administration spricht.“ Das Aufgeben der Vorstellung von der Notwendigkeit eines geschlossenen philosophischen Denksystems, um politisches Handeln zu ermöglichen, ist meiner Meinung nach richtig. (Die Heisenbergsche Unschärferelation besagt, dass je genauer man die Position eines Teilchen zu messen versucht, desto ungenauer läßt sich seine Geschwindigkeit messen und umgekehrt. Heisenberg wies nach, dass die Ungewißheit hinsichtlich dieser Geschwindigkeit nie einen bestimmten Wert unterschreiten kann: die Plancksche Konstante. Dieser Wert hängt nicht davon ab, wie man die Position oder Geschwindigkeit des Teilchens zu messen versucht, auch nicht von der Art des Teilchen. Die Heisenbergsche Unschärferelation ist eine fundamentale, unausweichliche Eigenschaft) Das Kapitel über das Altern „de senectute“ gefällt mir, weil es mich belustigt, wie Negri das Altern als eine Form des höheren Hedonismus beschreibt und darin seine persönliche Fähigkeit, Freude und Spaß am Leben zu haben (die sich in seinem Altern verfeinert, wie sich anscheinend alle Eigenschaften im älteren Mensch verfeinern, also auch zornig zu werden, mißtrauisch zu sein etc.) als eine allgemeingültige darstellt. Ich lese diesen Text auch gerne, weil er von einem ungebrochenen Optimismus auf die gesellschaftliche Entwicklung der Menschen zeugt (den ich teile), was er an Hand der Beispiele von Sans Papier als Form einer staatenlosen Demokratie usw. und an den Streiks in Frankreich 1995 usw. zeigt. Nachdem ich aufhörte, Notizen zu machen, konnte ich den Text auch besser auf seinen poetische – sprachlichen Gehalt hin lesen, der das Verstehen auch auf eine andere Art als die der logisch – begrifflichen herstellt. Im Kapitel des „Richtigen Gebrauchs der Erinnerung und des Vergessens“ erfahre ich, wie die politische Klasse Italiens die Bewegungen der 70- und 80er Jahre nicht amnestieren kann, ihnen den Status einer politischen Auseinandersetzung ableugnet, die Vergehen darin aber auch nicht als Delikte des allgemeinen Rechts behandelt, sondern auf eine Reihe von Notstandsgesetzen zurückgriff, um sie zu bestrafen und diese Gesetze heute noch in Kraft sind und einen „dunklen Schatten auf das Leben der demokratischen Institutionen Italiens werfen.“ Um dies aufzuzeigen (und mit der Hoffnung auf Amnestie) kehrte Toni Negri 1997 aus dem Exil in Frankreich nach Italien zurück. Seine theoretischen Arbeiten sind hoch zu schätzen (z.B. „Empire“ gemeinsam mit Michael Hardt, Harvard U.P. 2000), ihr Wert für die politische Praxis und Negris persönliche Vorgangsweise gesondert zu überdenken. |
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