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postFaschistische Blicke Im Rahmen des zyklischen Programms „Was ist Film“ läuft im Österreichischen Filmmuseum einmal jährlich „Triumph des Willens“, Leni Riefenstahls Film über den nazionalsozialistischen Reichsparteitag 1935. Man ist bemüht, keine Nazi-Nostalgieveranstaltung zu programmieren und zeigt vorher -– im Sinne eines Kontrastprogramms – „Flaming Creatures“ von Jack Smith (1963). Diese Vorstellung stellt eine der wenigen Möglichkeiten dar, „Triumph des Willens“ auf einer Kinoleinwand zu sehen. Die Filme der Riefenstahl vermögen durchaus auch jene BetrachterInnen zu faszinieren, die Ideologie und Politik des Faschismus und Nationalsozialismus ablehnen und sich kritisch mit der Geschichte auseinander setzen. Bei der Suche nach einer Erklärung dafür liegt es nahe, den nationalsozialistischen Inhalt von der filmischen Form zu trennen und „gute“ Kunst von „böser“ Politik abzuspalten. Genau das ist unserer Meinung nach nicht möglich, denn die Frage nach nationalsozialistischer Ästhetik erfordert eine komplexere Auseinandersetzung. Magical Mystery Tour In allen seit Ende des 2. Weltkriegs entstandenen Selbstzeugnissen leugnet Leni Riefenstahl trotzig, jemals eine Nazi gewesen zu sein. Mehr noch, sie scheint die Anschuldigungen gar nicht zu begreifen, die Vorwürfe gehen durch sie hindurch, wie Schwerter durch Wasser – sie gibt zu, alle Nazimachthaber gekannt zu haben, der Parteitagsfilm, der Olympiafilm waren tolle Auftragswerke, aber Nationalsozialistin sei sie deshalb nicht gewesen, mit der Ideologie habe sie sich nie befasst, sie wollte künstlerisch arbeiten, und in diesem Bereich etwas nie Dagewesenes schaffen. Wo liegt nun der Faschismus der Leni Riefenstahl? Sie als Faschistin, als Nationalsozialistin zu entlarven, d. h. den Weg über ihre Biographie zu nehmen, greift zu kurz. Sogar Georg Seeßlen, der dem „Geheimnis“ dieser Frau und Künstlerin sehr nahe kommt, kapituliert gewissermassen vor ihrer monolithischen Selbstdarstellung[1]. Ray Müller versucht in seinem Dokumentarfilm „Die Macht der Bilder“; (1993) vergeblich, Leni Riefenstahl zu greifbaren Aussagen jenseits monotoner Entschuldungsschablonen zu bewegen. Aber auch er hat missverstanden, wo er den Faschismus der Riefenstahl zu suchen hat – denn es gelingt seinem Film durchaus, den Faschismus in ihr und in ihren Bildern darzustellen: allerdings immer nur zwischen den Worten und Sätzen, in den Bildern ihrer Filme oder in ihren Erinnerungen von den Drehereignissen bei den Parteitags- und den Olympiafilmen, bei der Aufzählung ihrer damaligen Kämpfe und Erfolge und im Verlauf der Dialoge zwischen ihr und Müller, die mehr an Ringkämpfe als an Gespräche denken lassen. Ihren Faschismus könnte Frau Riefenstahl wohl auch kaum in Worte fassen, sie hat für seinen Ausdruck in „Triumph des Willens“ 36 Kameramänner, 9 Flugkameramänner und 17 Lichttechniker benötigt. Mit solchem Aufwand produzierte und in einem Marathoneinsatz geschnittene und montierte Bilder sollten wohl die Aussage vermitteln können, die sie enthalten. Frau kann nicht haben, was sie schon ist: Riefenstahl ist der ästhetisierte Nationalsozialismus selbst, die Vermessenheit, menschliche Leiblichkeit kneten zu wollen wie Lehm, der monumentale Anspruch, die höchsten Berge unter ihre nackten Füße zu treten und auf Kommando Höchstleistungen zu erzwingen, von anderen wie von sich selbst – mitleidlose, funktionalisierende Befehlsgewalt als Dienst an der Macht um dieser selbst willen. Sie ist so sehr Verkörperung des Nationalsozialismus, dass sie gar nicht zu wissen braucht und auch nicht wissen will, was für eine politische Weltanschauung sie hat, denn in ideologischer Hinsicht sind wohl wirklich nicht allzu viele Nazis so weit wie sie gekommen. Der „Triumph des Willens“ ist ihr Wille, im Parteitagsfilm feiert sie sich selbst und dauerhafter als es dem Dritten Reich gelang, der Führer ist Metapher ihrer selbst und damit behält sie auch gegen alle Anschuldigungen recht: sie hat sich nie unterworfen, selbst Adolf Hitler hat sich ihr als Material hingegeben, und damit war sie „auserwählter“ als er. Das Moment der Faszination ist der in diesen Bildern enthaltene Anspruch der totalen Macht, der Verfügungsgewalt über Leben, Tod und Biographie der sich unterwerfenden Individuen, die gleichzeitig als HalbgöttInnen dargestellt werden – der griechische Mythos in nationalsozialistischer Interpretation für die (deutsche / österreichische / bürgerliche) Spießerseele. Das Imperium feiert sich und seine Macht mit einer autoritären Bilderflut und die Macht dient zur Macht dient zur Macht dient zur Macht ... Die faschisierten Körper und Seelen unterwerfen sich, die Riefenstahl aber unterwirft! Genau das macht sie zur Faschistin und Nationalsozialistin, zur weiblichen Deklination des Führers, was auch immer sie über sich selbst zu Protokoll gibt, was auch immer über ihre Biographie vermerkt wird. A Love Supreme In der nationalsozialistischen Masseninszenierung hatte jede/r einzelne seinen/ihren Platz als FunktionsträgerIn, als Rädchen in der Maschine der einstudierten Gesten, Rufe und Bewegungen. Der faschisierte Blick liest Riefenstahls Filme, wie er sie lesen soll – die Kunst der Regisseurin bestand darin, diesen Blick zu dirigieren, die Wahrnehmung zu antizipieren, ihre eigene, tief empfundene Euphorie zu übertragen auf die Masse der Blickenden. Hier erübrigt sich auch die ganze Diskussion über „das unangenehme Paradox einer faschistischen (Film)Kunst von Rang“ (Georg Seeßlen), denn es geht um die Unmöglichkeit, den künstlerischen vom faschistischen Gehalt dieser Filme zu trennen und um seine Manifestation im Werk und dessen Wahrnehmung durch die RezipientInnen – in der Entwicklung der entsprechenden Techniken liegt Riefenstahls Kunst, die wir gar nicht bestreiten wollen. Die Abspaltung des nationalsozialistischen Inhalts von der Form entspricht Riefenstahls Rechtfertigungsstrategie, die seit den 50er Jahren an ihren künstlerischen Rehabilitation gearbeitet hat. Aber: Als Künstlerin ist sie Faschistin. Die Wurzeln der Faszination, die Leni Riefenstahls Filme noch heute ausüben können, liegen in einem Syndrom, das die bürgerliche Gesellschaft produziert hat und das vom kleinbürgerlichen, seiner Klasse verlustig gegangenen Individuum immer wieder reproduziert werden muss. Dieses – faschistische – Syndrom kommt als Wiederkehr des Verdrängten (Sigmund Freud) in Form der Unfähigkeit zurück, sich gegen den faschisierten Blick zu wehren bzw. sich ihm kritisch zu stellen. „Dass so viele Versuche, sich über das Bild dem Faschismus und dem faschistischen Bild zu nähern, einen geradezu aufreizenden Mangel an ästhetischer und politischer Reflexion offenbarten – es ist, als müsse stets und augenblicklich angesichts des faschistischen Bildes der deutsche Verstand stillstehen – zeigt das Problem (...).“[2] Bilder können sich niemals selbst erklären, sie brauchen, um verständlich zu werden, einen bereits akzeptierten und absorbierten Subtext, auf dessen Folie sie gelesen werden können – und die Filme Leni Riefenstahls stoßen offenbar damals wie heute auf einen Subtext, der unbewusst bleibt und damit den Bildern erlaubt, eine umso größere Wirkungsmächtigkeit zu entfalten. Denn die Bilder appellieren an diesen unbewussten Subtext, den sie selbst enthalten, der wiedererkannt, Euphorie auslöst und der in der Schöpferin der Bilder ebenso enthalten ist, wie in ihren RezipientInnen. „More important, it is generally thought that National Socialism stands only for brutishness and terror. (...) National Socialism (...) also stands for an ideal or rather ideals that are persistent today under the other banners: The ideal of life as art, the cult of beauty, the fetishism of courage, the dissolution of alienation in ecstatic feelings of community; the repudiation of the intellect; the family of man (under the parenthood of leaders). These ideals are vivid and moving to many people, and it is dishonest as well as tautological to say that one is affected by Triumph of the Will and Olympia only because they were made by a filmmaker of genius. Riefenstahl's films are still effective because, among other reasons their longings are still felt.“[3] Menschen sind für Leni Riefenstahl nicht mehr als Material, aus dem sie ihre bewegten und bewegenden Skulpturen schafft, Schräubchen und Klammern für die Maschine ihrer Filme. Der Vollzug der Unterwerfung bildet sich ab in der Perfektion und Präzision von Körper und Bewegung —; was menschlich war an ihnen, ist einer versteinerten Mechanik gewichen – bewegliche Skulpturen, von einem Motor bewegt, der sich außerhalb ihres Bewusstseins befindet. Das entsprach dem Wunsch und Begehren der Mehrheit der Deutschen und der ÖstereicherInnen. Der domestizierten Masse fehlt der Blick auf sich selbst, den sie im Moment ihres Auftritts gar nicht haben kann. Ihr Mangel liegt in der fehlenden Selbstwahrnehmung: statt ihrer eigenen Herrlichkeit und Allmächtigkeit verfällt sie dem Wachschlaf der Selbsthypnose, um dann beim Auftritt der zentralen Vaterfigur des Führers einen emotionalen Klimax zu erleben – jedoch nicht als Masse, sondern als Einzelindividuen. Die Herrschaftstechnik der Anrufung des Einzelnen im hinweisenden „Du!“ hob jede/n aus der Masse als zur Disposition gestelltes Individuum hervor – eine dauernde Gewissens- und Gehorsamsprüfung. So bleibt der Rausch verhalten, denn das Einzelwesen kann sich der Masse nicht vorbehaltlos hingeben, sondern bleibt der permanenten (Selbst)Kontrolle und Selbstreflexion unterworfen. In den Riefenstahlschen Filmen jedoch sieht die Masse sich in der von ihr selbst entfalteten Pracht – die Disziplinierung wird als sekundäre narzisstische Lust erlebt, die sich aber erst durch die mediale Vermittlung der Bilder entlädt, im abgedunkelten Vorführraum als privates Gefühl – aber mit dem Wissen, dass alle anderen beim Betrachten der Bilder ähnliche Gefühle erleben —; ein magisches Moment! Dieses Moment wird noch verstärkt durch die Unmöglichkeit, die Codes dieser Bilder anders als eindimensional zu lesen, sie sind überdeterminiert, um eben diese ausweglose Eindeutigkeit ebenso monumental festzustellen, wie die Monumentalität des Dargestellten. „Die Realität“ ist für Riefenstahl das Bild der Realität, zumindest solange es der Nationalsozialismus noch nicht geschafft hat, diese Realität Wirklichkeit werden zu lassen – insofern ist sie konkrete Utopistin, mit der für sie und viele andere durchaus realistischen Hoffnung auf Verwirklichung. Denn ihre Filme stellen die Traum-Realität aller Nazis vor, deren letzter Grund die Lust ist, eine Augenlust, die sich im Leib entlädt und ihn marschieren, stramm stehen oder „Sieg Heil!“ brüllen lässt und die Schaffensenergie produziert. Bald danach kommt auch Krieg, Mordlust und die Sucht, die Wirklichkeit wie schlechte Bilder zu vernichten. Die künstlerische Verwendung von Fotografie, Schnitt und Montage transportiert die vollendete Dokumentation einer ungehemmten Selbstentmenschlichung, Selbstreduktion auf den funktionierenden dressierten Leib, den fleischgewordenen Kleinhirnreflex. Riefenstahl ist so kalt wie der Stein des Führerbunkers. Sie bringt das eigentlich unerfüllbare Begehren nach der Eindimensionalität perfekt auf den Punkt —; den Untergang des „Ich“ im „Wir“, das Aufgehen des Individuums als einzelne Zelle im Volkskörper, willenlos und eindeutig, einzig der Wille des Führers steuert den Gesamtkörper. Diese Eindimensionalität der Masse ist die notwendige Kehrseite des Geniekultes — und Genie darf nur eine/r sein, Adolf Hitler und seine weibliches Auge: Leni Riefenstahl. Flogging a Dead Horse Leni Riefenstahl drehte Filme, an denen alles geplant und inszeniert ist, „Antidokumentarfilme, Filme, deren Ziel die Vernichtung der Wirklichkeit ist“ (G.Seeßlen) und machte sich damit künstlerisch (phantasmatisch) dem Führer gleich, dessen Ziel die Vernichtung der bisherigen Welt und Geschichte war, somit der bis dahin gekannten Realität. Die Ästhetik ihrer Filme findet sich immer noch auf Plakatflächen, Magazinumschlägen, Fotos, Filmen, Werbespots etc., reproduziert von EpigonInnen, die vermutlich nicht einmal wissen, welcher Blick, welche Konzeption hinter solchen zeitgenössischen Inventionen steht. Der nationalsozialistische Propagandafilm entwickelte Stilmittel, die bis heute verwendet werden. Propaganda ist emotionale Manipulation, die entsprechende Rezeptionshaltung ist bekannt, denn sie wird täglich z.B. im Werbefernsehen geübt. |
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__________________ 1 Georg Seeßlen, Tanz den Adolf Hitler. Faschismus in der popolären Kultur. Berlin, 1994. 2 Georg Seeßlen, ebenda. Seite 128f. 3 Susan Sontag, Fascinating Fascism (1975). In: Under the Sign of Saturn. New York, 1980. Die Liste der von Sontag aufgezählten Wertvorstellungen, ließe sich noch erweitern. Besonders wichtig scheint uns „das Gesunde“, das mit Definition und der Ausschluss von Krankheit einhergeht. |