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04/04
Was bleibt vom Vergessen?
„Mir ist gegenwärtig wie vorgestern, ..."
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„Mir
ist gegenwärtig wie vorgestern, wie gestern, wie morgen, wie übermorgen."
Ein Gespräch mit Padhi Frieberger
Padhi Frieberger ist, obwohl sein bildhauerisches
und fotografisches Werk, seine Textcollagen, seine Mailart usw. der „großen
Öffentlichkeit" nicht bekannt sind, einer der bedeutendsten
österreichischen Künstler. Der materielle Erfolg, den er nie
angestrebt hat, hat seine Arbeit nicht korrumpiert, und in seinem Werk
ist eine immerwährende Entwicklung und Unabhängigkeit sichtbar.
Ein entscheidender Teil seiner künstlerischen Arbeit entsteht durch
eine detaillierte Dokumentation und Archivierung seiner Lebenswelt und
Umgebung So fotografiert er ca. 2700 Personen die für ihn wesentlich
waren und sind, viele dieser Fotografien baut er in seine Collagen ein
und bearbeitet diese auch durch Texte. Sein Denken ist nicht in Kategorien
faßbar und nach allen Richtungen offen.
DWB: Wann sind die alle gegangen?
Padhi: Siebenundvierzig, achtundvierzig.
DWB: Und warum ?
Padhi: Na, weil des eine Auswanderer Welle war ! Keine Ahnung! Die kanadische
Botschaft im ersten Bezirk am Kohlmarkt war belagert. Jeder war dort.
Ich war dort auch einmal. Dann hab ich einen Schritt wieder zurück
gemacht. Aber wenn man jung ist und so weiter, des hat auch was mit dem
zu tun.
DWB: Weil hier nichts war, was einen gehalten hätte.
Padhi: Ja! Eine Initiative, etwas unternehmen und so. Um die Zeit hat‘s
ja auch eine gewisse Animation gegeben. Man hat ja alles Mögliche
geglaubt oder erzählt. Fahr hin dort und so!
Aber das war ja auch nur bis zu dem Zeitpunkt. Als Österreich dann
das Wirtschaftswunder erlebt hat, hat das dann nachgelassen. Ich mein,
das ist schon ganz interessant. Aber um die alle tut‘s mir eigentlich
Leid, weil ich die alle sehr ins Herz geschlossen hab. Das war schon eine
sehr interessante Sache. Denn die haben sich begegnet, die haben sich
gegenseitig gekannt, sich abgestoppt, sich gespürt und die haben
dann einen Punkt gehabt, wo sie alle gemeinsam aufgetreten sind, ohne
jemals ein Kollektiv zu werden, ohne eine Partei zu gründen. Oder
einen Club zu machen, die sind genauso, wie sie zusammengekommen sind
wieder auseinander. Und am nächsten Samstag sind sie dann wieder
zusammen gekommen. Also lauter Individualisten. Unwahrscheinlich! Da hab
ich das erste Mal überhaupt begriffen, was das überhaupt heißt.
Ich mein, wenn jemand sich überhaupt Individualist nennt.
DWB: Das müssen ja Leute gewesen sein, die sich während des
Krieges bedeckt gehalten haben.
Padhi: Das war natürlich auch der Fall, solche hat es gegeben. Da
waren aber auch ein paar ganz Junge dabei. Aber da hat es einige Fälle
gegeben, ich habe sogar selber gesehen, wie sie den einen erschossen haben,
den hab ich schon als Kind gekannt. Der hat mir immer Sachen erzählt
von seinen abenteuerlichen Ding und den haben sie dann beim Militär
eingezogen und doch er war unverbesserlich, weil er so ein freier Typ
war. Das war dann eben schon zu spät, in einer so genannten Diktatur
hat die Umerziehung nicht mehr funktioniert. Das war schon zu spät.
Er war schon so geprägt von dieser Persöhnlichkeitsstruktur,
dass es dann so ein tragisches Ende gegeben hat.
Ich war immer mit Älteren, von denen ich was Interessantes aufschnappen
konnte. Das hat mich immer angezogen, aber nicht neugierig, sondern das
hat mich echt interessiert. Ich unterscheide zwischen Neugierde und Interesse.
Eine Neugierde verflüchtigt sich zu schnell. Echtes Interesse. Und
als ich gemerkt habe, das ist so, hab ich das dann gesteigert und noch
verstärkt. Wie mir das dann bewusst geworden ist, das des was ist,
wenn man sich mit solchen Leuten anfreundet und sich solche Leute hält.
Ja, dieses Schicksal von dem, der erschossen wurde, war so, dass er immer
Schwierigkeiten gehabt hat aufgrund bestimmter Outfits. Die Protagonisten
haben sich Anziehsachen alle selber gemacht, die konnte man nirgendwo
einteilen, es war keine Mode. Keine modische Erscheinung. Oder, ich war
in dieser Zeit bei einem Freund auf Besuch, der hat sich Doppelböcke
gemacht, der haut sich so eine Sohlen drauf mit so einem Stöckel
oben!
DWB: Plateausohlen!
Padhi: Das muss man sich einmal vorstellen um diese Zeit (NS – Zeit,
Anm. DWB), ein Einzelner! Das muss ja suspekt sein. Und so hat das oft
angefangen, aus Liebe zu diesem ausgeflippten Outfit. Heute haben‘s
die ja leicht. Die ganze Industrie will haben, das die und der das Alles
kauft.
DWB: Damals war des gefährlich, wenn man das gemacht hat.
Padhi: Na sicher das war, ich weiß, nicht was ich dazu sagen soll.
Heute könnte man sagen es wär soviel wie unnötig gewesen.
Aber man kann sich nicht vorstellen, die Geschichte der Menschheit hat
einen Ablauf und gewisse Dinge müssen einfach passieren, damit das
Andere wieder Platz kriegt. Und die, auch die jetzt sind, wären auch
nicht - das ist ja das Absurde- ohne dem Vorangegangenen Zustande gekommen.....die
Zeit wäre ohne diesen Dingen ganz anders. Das ist das Absurde. Wenn
diese Dinge nicht passiert wären, die vorher passiert sind.
DWB: Mit dem Wissen von Heute über die damalige Zeit zu Urteilen
ist extrem schwierig.
Padhi: Da waren wir in Reidling draussen, dort hat eine Freundin von mir
ein Waldhaus gehabt, dort hast die Eierschwammerl beim Fenster reinpflücken
können.2 Kilo gleich. Eine komische Gegend, über dem Riederberg.
Eh nur 30, 35 km von Wien weg. Und als wir zurückgefahren sind mit
dem Rad, kommen wir bei so einem Strassennest vorbei und da war ein Wirt.
Die Musikbox ist heraussen gestanden, vor der Tür. Und da ham´s
lauter Little Richard und Jerry Lee Lewis, also all diese richtigen Rock
n´ Roller gespielt. Und diese Buam, die Bauernbuben, die haben alle
nicht tanzen können, die haben sich das nur angehorcht. Na, und wir
steigen von Radl ab. Und da war viel Platz und fangen zum tanzen an. Die
Freundin hat irrsinnig gut getanzt, die Panzer Mariann. Mit der bin ich
auch gern tanzen gegangen. Das war dann halt so konditionsmäßig,
wir haben stundenlang die schnellen Nummern getanzt. Und die Bauernbuam
haben jetzt eben immer nur die schnellen Nummern eineghaut. Und da hab
ich dann gemerkt was wirklich los ist. Weißt. Der Wirt hat gewusst,
diese Musikbox, mit diesem Repertoire drinnen, mit diesen Nummern, diesen
Supernummern! drinnen, zieht Leute an! Der macht ein Geschäft! Die
anderen Hütten sind alle leer. Und was war, wie wir da so getanzt
haben: der hat einen wahnsinnigen Zorn gekriegt, das wir da so einen Effekt
produzieren. Da habe ich den Widerspruch bemerkt. Er weiß zwar,
diese Maschine, die er da aufgestellt hat macht ein Geschäft. Aber
das was er da jetzt hört in dem Übermasß, nach dem das
gesteigert worden ist. Zuvor haben die also dann und wann eine langsame
Nummer reinghaut. Jetzt ham die irgendwas in sich verändern können
diese Fans und haben auch gemerkt da ist jemand der das umsetzt in Kreativität.
Und das war ihm schon nimmer Recht, ja. Also in Wirklichkeit hat sich
dann herausgestellt, dass er für das mit dem er da mehr Geschäft
macht, dass er da eigentlich doch dagegen war.
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